ArbeitGEBER – vom Nehmen und Geben in der Arbeitswelt
„Arbeitgeber ist derjenige, der einen Arbeitnehmer beschäftigt.“ So beschreibt das Gabler Wirtschaftslexikon einen Arbeitgebenden. Kurz und knapp fasst dieser Satz sachlich beschrieben ein antiquiertes Bild der Arbeitswelt zusammen. Arbeit zu geben war in Zeiten der Industrialisierung sicherlich fast so einfach wie dieser Satz. Aussuchen, Einstellen, Aufgaben vergeben, den Arbeitnehmenden beschäftigen. Dafür erhält er/sie anschließend Lohn. Arbeitsleistung gegen Entlohnung. Geben vs. Nehmen. Auf mehr Entlohnung folgt dann mehr Arbeitsleistung. Und so weiter? Nein, so einfach geht es (heute) nicht. Je komplexer die Arbeitswelt, desto komplexer nun auch die Beziehung zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden.
Spätestens durch die steigende Nachfrage nach Fachkräften generell – aber sehr sichtbar in bestimmten Bereichen wie IT oder Pflegekräften – ist der Druck auf Arbeitgeber, sich besser zu positionieren nicht nur stärker geworden, sondern die Anforderungen der Arbeitnehmenden gleichzeitig auch vielfältiger. Vorbei sind die Zeiten, in denen es reichte, entlang der Maslowschen Bedürfnispyramide Lohn und Brot zu bieten.
Arbeitsbedingungen und -orte, Arbeitsmodelle und flexible Arbeitszeiten, Arbeitsatmosphäre und die Kultur im Unternehmen, Benefits und Zusatzangebote, soziales Engagement, Kollaboration, gelebtes Führungsverständnis und immer öfter auch Sinnstiftung – all das sind Bausteine, mit welchen Arbeitgebende versuchen sollten, noch mehr zu geben, um Angestellte zu finden und zu halten.
„Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Arbeitsvertrags unselbstständige, fremdbestimmte Dienstleistungen zu erbringen hat.“- so die (als juristisch korrekte aber inhaltlich veraltete) Definition von Gabler weiter. Von Arbeitnehmenden wird heute mehr verlangt als die reine, fremdbestimmte Arbeitsleistung, wie sie früher beschrieben wurde. Ein guter Abschluss oder Referenzen als Eintrittskarte, digitale Affinität und Mehrsprachigkeit, Teamplayer, innovativ und loyal sollte man sein, über den Tellerrand hinaussehen können und am besten anpassungsfähige:r Unternehmer:in im eigenen Unternehmen.
Wenn man nun die beiden Enden der Waagschale von Geben und Nehmen betrachtet, liegt mittlerweile deutlich mehr in den beiden Töpfen als es früher einmal war. Und genau diese neue Komplexität der Arbeitswelt und ein neues Arbeitsverständnis zeigt, dass wir weg von dieser bipolaren Gegenüberstellung gehen müssen. Arbeitgebende und Arbeitnehmende sollten auf Augenhöhe kollaborativ zusammenarbeiten – gemeinsam als Team. Die Perspektive auf Arbeitssuchende / -nehmende als Bittsteller ist vorbei. Die richtige Passung von Qualifikation seitens Arbeitnehmender und Entlohnung seitens Arbeitgebender reicht nicht mehr aus. Sondern auch eine Passung von sozialen Wertevorstellungen, Verständnis von Sinnstiftung, gemeinsamen Zielen und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten auf beiden Seiten ist entscheidend.
Dass die Gleichungen „mehr Arbeitsleistung führt zu mehr Entlohnung“ und „mehr Entlohnung führt zu mehr Arbeitsleistung“ zu kurzgefasst sind, ist vermutlich klar. Es geht um mehr als nur Entlohnung. Sinnstiftung, gemeinsame Ziele und ein gemeinsamer Weg ist das, was eine gute Symbiose zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden ausmacht. Dann werden aus Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden Partner der gleichen Mission. Der Abgleich der Ziele hinter den Zielen beginnt. Anstelle von rein transaktionaler Optimierung des Prozesses sollte bereits im Recruiting mehr Wert draufgelegt werden, dass die Führungskraft gemeinsam geteilte Einstellungen und potentielle Ziele bespricht und ein Auge darauf hat ob der/die Bewerber:in in die Arbeitskultur passt und das Team ergänzen kann. Qualifikationsprofile sollten nicht den Blick für Persönlichkeiten verstellen – gemäß dem Motto: „Stell gute Leute ein und finde den richtigen Arbeitsplatz für sie.“ Nach dem Recruiting gilt es dann ein entsprechendes Führungsverständnis zu leben, in welchem aus Arbeit Beruf(ung) wird. Dann erledigen sich Terminologien wie Arbeitgebender und Arbeitnehmender auch Stück für Stück von ganz allein.