Was ist eigentlich Arbeitszeit?

Alle Arbeitsrecht-Welt , meint man, beschäftigt sich mit dem am 13.09.2022 vom Bundesarbeitsgericht erlassenen Beschluss, nachdem Unternehmen zur Erfassung der Arbeitszeiten der Mitarbeiter: innen verpflichtet sind.

Inzwischen liegen auch die Urteilsgründe des Bundesarbeitsgerichts vor. Da heißt es u.a.:

„Das geforderte System darf sich – trotz des vom Gerichtshof verwendeten Begriffs der „Messung“ – dabei nicht darauf beschränken, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) lediglich zu „erheben“. Diese Daten müssen vielmehr auch erfasst und damit aufgezeichnet werden. Anderenfalls wären weder die Lage der täglichen Arbeitszeit noch die Einhaltung der täglichen und der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten innerhalb des Bezugszeitraums überprüfbar. (….) Die Pflicht zur Einführung beschränkt sich zudem nicht darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ein solches System zur freigestellten Nutzung zur Verfügung stellt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss er hiervon auch tatsächlich Gebrauch machen und es damit verwenden.“

Wäre es da nicht auch höchste Z E I T einmal darüber zu sprechen, was denn alles Arbeitszeit ist!

Was aber ist eigentlich Arbeitszeit?

Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage lohnt.

Arbeitszeit im Sinne des deutschen Arbeitszeitgesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.  Klar! Irgendwie ganz stimmig.

Aber hält die im derzeitigen Arbeitszeitgesetz definierte Arbeitszeit noch den Realitäten anderer und moderner Arbeitswelten noch stand?

Die europäische Arbeitszeitrichtlinie zum, Beispiel, definiert als Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt (Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG).

Diese Definitionen enthalten vorwiegend den Arbeitsschutzgedanken. Hieraus leiten sowohl die EU als auch das Bundesarbeitsgericht die wesentlichen Gründe für deren Entscheidungen ab.

Arbeitszeit und Vergütung korrelieren übrigens nicht immer! Schauen wir uns daher einmal alles unter dem Gesichtspunkt der vergütungspflichtigen Arbeitszeit an!

Nicht jede Arbeitszeit führt automatisch zur Vergütung und das Herausrechnen von Arbeitszeit führt auch nicht automatisch dazu, dass die Vergütung zu kürzen ist.

Verrückt, aber juristisch wahr!

Zur Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinn (also zu den „versprochenen Diensten“ gem. § 611a BGB) zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma (=Gegenseitigkeitsverhältnis der Leistungen aus dem Vertrag) verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt.

„Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste gem. § 611a Abs. 1 BGB ist damit jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 18.3.2020, NZA 2020, 868 ff.; 25.4.2018, NZA 2018, 1211 ff.; 25.4.2018, NZA 2018, 1077 ff.; 6.9.2017, NJW 2018, 1276 ff.; MHdB ArbR/Krause § 60 Rn. 20).

So und nun wird`s spannend.

In Zeiten von New Work stellen sich doch damit jede Menge Fragen, die juristisch noch nicht oder jedenfalls nicht unter allen Aspekten geklärt sind……Wie zum Beispiel verhält es sich denn mit der uneingeschränkten Verfügbarkeit von Mitarbeitern nach Feierabend, an den Wochenenden und im Urlaub?

… Working anytime, anywhere …

Es lässt sich sicher nicht leugnen, dass bei bestimmten Tätigkeiten das Lesen und Beantworten von E-Mails und die telefonische Erreichbarkeit außerhalb regulärer Arbeitszeiten erheblich zugenommen haben.

Was ist eigentlich Arbeitszeit - HR Blog - CLEVIS

Stellen wir zunächst einmal dar, was schon geklärt ist:

Da wäre einmal die sog. „Arbeitsbereitschaft

Arbeitsbereitschaft ist die Arbeitszeit, in der der Arbeitnehmer nicht seine volle, angespannte Tätigkeit entfalten braucht, sondern an seiner Arbeitsstelle anwesend ist und jederzeit bereit sein muss, in den Arbeitsprozess einzugreifen. Zum Beispiel der/ die Kellner:in, der darauf wartet, dass Gäste das Restaurant betreten oder der / die Rettungssanitäter:in zwischen den Einsätzen.

Arbeitsbereitschaft ist übrigens vergütungspflichtige Arbeitszeit.

Daneben gibt es noch die sog. „Rufbereitschaft“

Hier ist der Arbeitnehmer verpflichtet, wie beim Bereitschaftsdienst, auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Der Arbeitnehmer kann sich hierfür aber an einem Ort seiner Wahl aufhalten, der dem Arbeitgeber anzuzeigen ist und er muss seine jederzeitige Erreichbarkeit sicher stellen. Solange der Arbeitnehmer seine „Freizeit“ während der Rufbereitschaft aber ohne große Einschränkungen gestalten kann, wird diese nicht als Arbeitszeit gewertet.

Bei Inanspruchnahme des Arbeitnehmers gilt diese Zeit freilich als Arbeitszeit.

Dann gäbe es da noch den sog. “Bereitschaftsdienst“.

Der Bereitschaftsdienst ist dadurch gekennzeichnet, dass dieser Dienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht wird. Hier hat sich der Arbeitnehmer für Zwecke des Betriebs an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit auf Anweisung hin unverzüglich aufnehmen kann. Hier wird der Arbeitnehmer also in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, darf sich aber nach seiner Wahl währenddessen mit anderen Dingen beschäftigen oder ausruhen.

Bereitschaftsdienst ist ebenfalls vergütungspflichtige Arbeitszeit.

Und was ist eigentlich mit sog. „Wasch- und Umkleidezeiten

Wasch- und Umkleidezeiten gehören grundsätzlich nicht zur (arbeitszeitrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen) Arbeitszeit. Die Wasch- und Umkleidezeit kann allerdings zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit werden.

Zu den „versprochenen Diensten“ gem. § 611a BGB zählt ja nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt (siehe oben).

Wasch- und Umkleidezeiten sind dann vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen von Dienstkleidung anordnet und damit das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung macht.

Vergütungspflichtige Arbeitszeit ist daher grundsätzlich das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb. Bestehen für den Arbeitnehmer keine Umkleidemöglichkeiten im Betrieb, z.B. weil der Arbeitnehmer verschiedene Einsatzorte hat und er sich deshalb bereits zu Hause umkleiden muss, gilt auch dies als vergütungspflichtige Arbeitszeit.

Und um es nicht zu vergessen:

Die Teilnahme an vom Arbeitgeber angeordneten Fortbildungen gilt als vergütungspflichtige Arbeitszeit. Die Teilnahme an Betriebsversammlungen und Betriebsratswahlen hingegen nicht.

Wir sind gespannt, ob die Bundesregierung im Rahmen der im Koalitionsvertrag festgelegten Agenda für das Arbeitsrecht Arbeitszeit als solches auch einmal neu definiert.

Kommt Zeit, kommt Rat….

Nela Softic

Autorin Nela Softic

09. Januar 2023