Wertschöpfung durch Wertschätzung?!
Nein, eher andersherum. Und das ist wichtig für HR!
Ein Blick in die allgemeine Mainstream-Managementliteratur ergibt aktuell ein ziemlich einheitliches Bild. Die Kurzfassung: Je wertschätzender Du, liebe Führungskraft oder Unternehmensinhaberin, mit Deinen Mitarbeitenden umgehst, desto besser werden Eure Arbeitsergebnisse und Zahlen sein. Denn in einem Umfeld bestehend aus Spaß, Benefits und ganz viel Augenhöhe macht es natürlich mehr Freude zu arbeiten, und das muss sich ja positiv auf die Zahlen am Quartalsende auswirken.
Ich kann mir den leicht ironischen Unterton nicht verkneifen, meine Bitte um Entschuldigung dafür. Ich sehe es etwas anders, dazu gleich mehr. Gleichzeitig ist mir wichtig klarzustellen, dass ich natürlich ein Verfechter eines respektvollen, integren und ehrlichen Umgangs in Organisationen bin, in welchem Zusammenarbeit Energie freisetzt und Lust auf tägliche Leistung macht. Das steht außer Frage.
Zu klären ist jedoch, was bedingt eigentlich was?
Funktioniert Zusammenarbeit besser, wenn der Fokus auf die interne Hygiene gerichtet ist und Maßnahmen auf das Wohlbefinden der Menschen ausgerichtet sind? Oder ist eine „tolle Stimmung im Laden“ vielleicht eher die Folge einer passenden Struktur, in der echte Zusammenarbeit erst möglich gemacht wird, weil zusammen etwas erreicht wird? Ich denke Zweiteres. Denn am Ende überlebt jede Organisation nur so lange am Markt, wie sie Kundenbedürfnisse befriedigt und mehr Geld einnimmt als sie ausgibt. Das mag nüchtern und kühl klingen, ist jedoch die betriebswirtschaftliche Wahrheit, an der wir leider nicht vorbeikommen als gute Berater/innen.
Der erste Blick der Unternehmensführung sollte daher stets auf die externen Bedürfnisse am Markt, außerhalb der Organisation gerichtet sein. Dieser Blick bedarf einer internen Struktur, welche es den Mitarbeitenden ermöglicht auf Veränderungen zu reagieren und sich so anzupassen, dass immer neu auftretende (Kunden-) Probleme zügig gelöst werden können.
Das ist wie bei Sportmannschaften. Die Spieler:innen auf dem Spielfeld agieren in einer trainierten Struktur, auf eine Vielzahl von neuen Spielsituationen, hervorgerufen durch den Gegner, passend zu reagieren. Die Zeit fester Spielzüge ist schon lange vorbei, dafür sind beim Gegner überall zu gute und kreative Experten/innen am Ball, die die Gegner:innen immer wieder vor neue Herausforderungen (Probleme) stellen. Auf diese mit anzupassenden Prinzipien zu reagieren, macht ein Team erfolgreich, was sich dann wiederum auf das soziale Miteinander intern auswirken wird. Eine lediglich gute Stimmung unter der Woche hat leider noch keinen Erfolg am Wochenende realisiert. Die Stimmung nach Siegen am Wochenende ist jedoch eine ganz andere, da kann ich einige Lieder von singen.
Was hat das Ganze nun mit einer modernen HR zu tun?
Ich nehme viele HR-Abteilungen aktuell als „suchend“ wahr. Vielleicht waren sie das schon immer; in Zeiten von „New Work“ und agilen Methoden sind sie es umso mehr. Suchend nach Einfluss, nach Antworten und mehr Gehör, wenn es darum geht, die strategischen Personal-Geschicke des Unternehmens voranzubringen. HR sehnt sich nach mehr Wertschätzung könnte man etwas plakativ formulieren.
Hier schließt sich der oben aufgemachte Kreis. Die Frage ist nämlich, wie erfährt HR diese Wertschätzung seitens der Unternehmensführung? Ich sage, in dem sie mehr Fokus und vor allem Beitrag auf die Wertschöpfung des Unternehmens richtet und leistet. Das ist leicht gesagt und gefordert, ich weiß. Es ist jedoch die m.E. einzige Chance mehr ins Rampenlicht zu treten, wenn es um unternehmerische Entscheidungen geht. Nach obiger These erfahren Beiträge, welche auf die Wertschöpfung einzahlen entsprechende Wertschätzung. Sprich: Wenn es HR schafft weniger Bespaßerin und Gute-Laune-Lieferantin zu sein und stattdessen durch Maßnahmen auf den unternehmerischen Mehrwert einzahlt, zahlt sich dies sicherlich positiv auf deren Position im Unternehmen und auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden aus. Denn wer einen Beitrag zu etwas Größerem leistet fühlt sich am richtigen Ort, das kennen wir sicherlich von uns selbst.
Die Leitfrage einer jeder HR-Abteilung für eine offensivere und selbstbewusste Positionierung könnte also lauten:
Worauf zahlt unsere HR-Maßnahme eigentlich ein?
Natürlich gibt es in jeder HR Standard-Prozesse um Lohnabrechnung, Versicherungsfragen etc. Diese müssen erledigt werden und bilden die Basis eines funktionierenden Mitarbeitendensystems.
Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen HR auf die externe Wirkung seiner Kunden:innen einzahlen könnte. Nämlich in den Bereichen, wo in denen es darum geht die Mitarbeitenden wirklich für deren Bedürfnisse in der Kundenwelt fit zu machen. Dafür muss HR die Grundzüge der Wertschöpfung verstehen. Genau wie der oder die Trainer:in einer Mannschaft nicht besser im Umgang mit dem Ball sein muss, denn die Tore als Wertschöpfung schießen immer noch die Spieler:innen. Der bzw. die Trainer:in hat als Entwickler:in aber stets den Blick auf die Anzeigetafel und erkennt, was an Training, Coaching, Ernährung etc. hilfreich ist, um die Leistung der Truppe zu erhöhen.
Genau diese Denkweise könnte auch der HR helfen, stets zu schauen, ob es um interne „Bespaßung“ der Mitarbeitenden geht. Hilfreicher und wertvoller für die eigene Wertigkeit wäre jedoch ein stets nach außen gerichteter Blick, um den Connect zwischen „Training und Toreschießen“ zu verbessern.
Was genau brauchen Ihre Mitarbeitenden, um ihren Job erfolgreich zu machen?
Wenn Sie diese Frage beantworten, wird sich die Wertschöpfung am Markt und daraus die Wertschätzung für die HR erkennbar erhöhen. Zufriedene Mitarbeiter sind dann eher die Folge erfolgreicher Zusammenarbeit als die Voraussetzung für diese.