Führen von Führungskräften: Besonderheiten, Herausforderungen und Tipps

Die meisten größeren Unternehmen verfügen über mehrere Hierarchie-Ebenen. Das bedeutet, so manche Führungskraft führt Mitarbeitende, welche selbst wiederum Führungsverantwortung tragen. Aber wie gelingt es als Vorgesetzter, bei der Belegschaft Leadership-Kompetenzen zu fördern?

Genau darum soll es in diesem Artikel gehen: Wir diskutieren die besonderen Herausforderungen beim Führen von Führungskräften, geben Tipps, wie es gelingen kann, und beleuchten das Phänomen aus wissenschaftlicher Sicht.

Worin unterscheidet sich Führung von Führungskräften von der Führung „normaler“ Mitarbeitender?

Es gibt eine Führungskraft und diese soll ein Team anleiten, sodass es ein bestimmtes Sachziel erfüllt: Das ist der klassische Fall, an dem sich Leadership-Ratgeber orientieren. Die Realität ist aber viel komplexer und viele Leader müssen verzweigte Beziehungsgeflechte managen. Nicht zuletzt sind ihnen oft andere Führungskräfte unterstellt.

Die Führung von Führungskräften hat jedoch andere Ziele und auch Schwierigkeiten als die Führung von Mitarbeitenden ohne Personalverantwortung. Sehen wir uns einmal vier wichtige Unterschiede an:

1) „The stakes are higher“

Zunächst einmal ergeben sich aus der Führung von Führungskräften starke Auswirkungen. Denn die Art und Weise, wie jemand führt, pflanzt sich über mehrere Ebenen fort. Bei der Führung von Führungskräften wird also nicht nur der „direkt betroffene“ Mitarbeitende beeinflusst, sondern auch dessen ganzes Team (und womöglich noch weiteres unterstelltes Personal).

Wenn beispielsweise ein hochrangiger Leader es schafft, das mittlere Management für seine Vision zu begeistern – dann tun sich diese wiederum leichter, ihre Mitarbeiter zu inspirieren.

2) Führungskräfte sind kritischer und meinungsstark

Führungskräfte brauchen ein gewisses Maß an Eigenständigkeit und Autorität. Mit steigender Hierarchieebene wächst deshalb oft das Selbstvertrauen und das kritische Denken des Personals. Das ist grundsätzlich zu begrüßen – macht die Führung dieser Mitarbeitender aber zu einer schwierigeren Angelegenheit. Je selbstständiger jemand im Alltag arbeitet, desto mehr Fingerspitzengefühl braucht es, um diese Person zu führen.

3) Führungskompetenz lässt sich nicht von „oben“ diktieren

Als „Leader der Leader“ gilt es, seine Mitarbeitenden nicht nur zu guten fachlichen Leistungen zu motivieren, sondern ihre Führungskompetenz zu fördern. Dazu gehören zum Beispiel:

  • unternehmerisches Denken
  • kreative Problemlösung
  • Entscheidungsfreude
  • Verantwortungsbereitschaft

 

All dies sind Fähigkeiten, die sich nicht auf Knopfdruck einfordern lassen. Andere zu Leadership anzuspornen ist daher eine gänzlich andere Aufgabe, als ihnen Fachkenntnisse zu vermitteln. Dazu benötigt es viel Menschenkenntnis und einen geeigneten Führungsstil.

4) Führung durch Vorbild wird noch wichtiger

Wer andere Führungskräfte leitet, macht im Prinzip den gleichen Job, den diese auch machen. Daraus ergibt sich natürlicherweise, dass die Arbeit des Vorgesetzten mit besonderer Aufmerksamkeit begutachtet wird. Schließlich kennt man die Herausforderungen der Führungsarbeit und möchte sich Orientierung holen, wie „Profis“ diese meistern. Die Vorbildfunktion spielt also eine noch wichtigere Rolle, als es bei Personalführung sowieso schon der Fall ist.

„Leading the leaders“ bringt spezielle Herausforderungen mit sich, soviel ist jetzt klar. Doch kommen wir zu der vielleicht brennendsten Frage: Welche Punkte gilt es beim Führen von Führungskräften zu beachten?

Leadership Change Needs Analyse

Wie ready ist mein Team und was gilt es zu ändern?

Als Führungskraft wünsche ich mir von meinem Team mehr:

Ich würden gerne fördern:

Helfen würde mir:

Meine Rolle ist:

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Führungskräfte führen: 8 Tipps, wie es gelingen kann

Eigenverantwortliche, fähige Leader, die dem Top-Management den Rücken freihalten – das wäre das Ziel. Aber: Unter autoritärer Führung können sich solche Persönlichkeiten nicht entwickeln. Wer starke Führungskräfte führen möchte, sollte stattdessen folgende 8 Grundregeln beherzigen:

  • klare Rollenabgrenzungen: Die Aufgabe des Top-Managements ist es, Verantwortungsbereiche zu definieren. Erst wenn die Zuständigkeiten eindeutig geklärt sind, können Führungskräfte selbstständig handeln.
  • Freiraum lassen: Der vielleicht wichtigste Punkt. Zu viel Einmischung behindert die Führungskraft bei ihrer Arbeit und senkt deren Motivation. Wohlwollende Zurückhaltung ist das A und O bei der Führung von Führungskräften.
  • der Führungskraft etwas zutrauen: Leader brauchen das Vertrauen ihrer Vorgesetzten, um sich vor deren eigenen Mitarbeitenden behaupten zu können. Dazu muss der Vorgesetzte auch akzeptieren, dass die Führungskraft Dinge anders macht als erwartet. Schließlich geht es darum, dass die Führungskraft Verantwortung übernehmen soll – das geht nur, wenn man ihr eine solche auch überträgt.
  • Ressourcen zur Verfügung stellen: Es reicht jedoch nicht, der Führungskraft anspruchsvolle Aufgaben zu übertragen – sie benötigt auch das Equipment, um diese zu erledigen. Konkret bedeutet das, sicherzustellen, dass an Budget, Räumlichkeiten und Mitarbeitenden alles Notwendige zur Verfügung steht. Schließlich ist nichts frustrierender für eine visionäre Führungskraft, als an fehlenden Ressourcen zu scheitern.
  • der Führungskraft vor deren Mitarbeitenden den Rücken stärken: Dazu gehören so grundlegende Dinge wie: neue Führungskräfte offiziell vorstellen, die Führungskraft nicht direkt vor den Mitarbeitenden kritisieren, keine Aufgabe „über den Kopf“ der Führungskraft an deren Mitarbeitende delegieren usw.
  • Feedback geben und Fehlerkultur etablieren: Führungskräfte brauchen Freiheit – aber wollen auch nicht alleingelassen werden. Konstruktives Feedback ist eine Form der Wertschätzung, die bei Führungskräften durchaus erwünscht ist. Als Vorgesetzte:r hat man außerdem die Verantwortung, eine produktive Fehlerkultur zu schaffen, wo aus Fehlern gelernt werden darf.
  • Vision teilen: Die Führungskräfte müssen die Unternehmensvision kennen und mittragen, denn dann werden sie auch ihr eigenes Team inspirieren. Daher müssen Vorgesetzte ihnen diese vermitteln und immer wieder den Bezug zum großen Ganzen herstellen.
  • gewünschten Führungsstil vorleben: Wie oben bereits erwähnt, lernen Führungskräfte natürlich stark von der Führungsart ihrer Vorgesetzten. Daher ist es unabdingbar, dass diese mit gutem Beispiel vorangehen.

 

Dabei sollten natürlich immer auch die individuellen Umstände beachtet werden: Führungskraft ist nicht gleich Führungskraft. So können etwa Führungspositionen innerhalb des Unternehmens stark variieren und es macht einen Unterschied, ob jemand eine kleine Projektgruppe leitet oder als Bereichsleiter noch zahlreiche Ebenen unter sich hat.

Werfen wir deshalb einen genaueren Blick darauf, wie die einzelnen Hierarchie-Ebenen in einem Unternehmen strukturiert sind:

Führen auf verschiedenen Ebenen: die Hierarchie im Unternehmen

Auch wenn „flache Hierarchien“ als Schlagwort immer populärer werden: Ab einer gewissen Größe ist es notwendig, die Organisation zu strukturieren. Größere Unternehmen sind daher fast immer hierarchisch gegliedert und es gibt mehrere Führungsebenen. Je nach Hierarchie-Ebene treten spezifische Führungsaufgaben in den Vordergrund und andere werden weniger wichtig.

FÜHREN VON FÜHRUNGSKRÄFTEN BESONDERHEITEN, HERAUSFORDERUNGEN UND TIPPS

Kategorisierung der Führungsebenen

Gibt es allgemeine Kategorien, welche Hierarchie-Stufen in den meisten Unternehmen auftreten? Nun, in der Literatur (z. B. Landes/Steiner/Hornstein 2012) wird zwischen vier grundlegenden Führungsebenen unterschieden:

4. Executive Management: Wird meist von Aufsichtsrat oder Kontrollgremium berufen. Hat Entscheidungsmacht in strategischen Fragen und besetzt die Positionen des Mittleren Managements.

3. Mittleres Management: Trägt Verantwortung für First Line Management und ist dem Executive Management zur Rechenschaft verpflichtet.

2. First Line Management: Die erste Stufe mit Führungsverantwortung, oftmals sind es Teamleiter:innen oder Projektleiter:innen mit Aufstiegschancen in Aussicht.

1. Mitarbeitende ohne Führungsaufgaben

Die Thematik „Führungskräfte führen“ betrifft demzufolge die obersten beiden Ebenen: Hier trägt man Verantwortung für Mitarbeitende, die ihrerseits Führungsaufgaben innehaben.

 

Welche Aufgaben sind auf den einzelnen Ebenen wichtig?

Jetzt stellt sich die Frage, ob und wie die Anforderungen von Ebene zu Ebene variieren. Dazu sehen wir uns kurz einmal an, was die grundsätzlichen Aufgaben des Managements sind.

Beispielsweise definieren Kraut et al. (2005) in ihrem Aufsatz die folgenden zentralen Management-Aufgaben:

  • individuelle Leistungen managen
  • Anweisungen erteilen
  • Ressourcen planen und verteilen
  • Koordination unabhängiger Teams
  • Leistung der Gruppe managen
  • das Geschäftsumfeld im Auge behalten
  • die eigenen Mitarbeitenden repräsentieren

Auf der untersten Ebene, bei den First Line Managern, liegt der Fokus noch auf dem Management individueller Leistungen: Hier geht es in erster Linie darum, einzelne Mitarbeitende zu motivieren.

Auf der zweiten Ebene, im mittleren Management, geht es stärker um vermittelnde Aufgaben – also beispielsweise unterschiedliche Teams zu koordinieren – und auch um die Verteilung von Ressourcen.

Auf Ebene der Executives rückt schließlich die Analyse des Geschäftsumfelds in den Vordergrund.

Besondere Herausforderung: das Führungssandwich

Es klingt lecker – bringt aber seine spezifischen Schwierigkeiten mit sich: das Führungssandwich. Vor allem das mittlere Management ist hiervon betroffen. Wer gleichzeitig führt und geführt wird, findet sich in einer diffizilen Vermittlerrolle wieder. Nicht selten muss den Mitarbeitenden eine Vision oder Unternehmensstrategie schmackhaft gemacht werden, die gar nicht von einem selbst erarbeitet wurde. Gerade das mittlere Management benötigt daher hohe soziale Kompetenz.

Wer führt das Top-Management?

In den Etagen der Executives fehlt schließlich die Führung von oben gänzlich. Dieses „Führungsvakuum“ muss durch andere Arten der Führung ausgeglichen werden:

  • Selbstführung,
  • Führung durch Kollegen (laterale Führung),
  • sowie unter Umständen sogar Führung von unten.

Aber nun wieder zurück zur klassischen Führung von oben: Aus wissenschaftlicher Sicht haben sich etwa Miriam Landes, Eberhard Steiner und Elisabeth von Hornstein (2012) mit dem Phänomen „Führung von Führungskräften“ beschäftigt. Sie analysieren diese Meta-Führung mit dem sogenannten Hemisphären-Modell, das wir Ihnen noch kurz vorstellen möchten

Leading the leaders: das Hemisphären-Modell

In diesem Modell geht es um die vier Teilaufgaben eines Vorgesetzten bei der Führung von Führungskräften. Diese vier Aufgaben sind jeweils einer von zwei „Hemisphären“ zuzuordnen:

  • Entwicklungs-Hemisphäre: Führungskraft ist selbst Objekt der Führung (Geführter) und soll sich weiterentwickeln.
  • Führungs-Hemisphäre: Führungskraft ist Führender und leistet operative Führungsarbeit.

Konkret sind die vier Teilaufgaben folgende: Der Vorgesetzte soll bei der Führungskraft (1) die Selbstführung anstoßen, (2) Sinn stiften, (3) deren Führung zulassen und (4) diese zur Führung motivieren.

Grafisch aufgeteilt sieht das so aus:

Entwicklungs-Hemisphäre

Selbstführung anstoßen

Sinn stiften

Führung ermöglichen und zulassen

Zur Führung motivieren und delegieren

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Führungs-Hemisphäre

Besonders interessant ist an diesem Modell, dass es auch die Bedeutung des Unterlassens bzw. Zulassens thematisiert. Bei der Führung von Führungskräften geht es demnach auch zentral darum, das Handeln dieser zu dulden und ein Eingreifen zu unterlassen, solange sich die Führungskraft im vereinbarten Rahmen bewegt.

 

Welcher Führungsstil eignet sich für das Führen von Führungskräften?

Schließlich stellt sich noch die Frage, ob es einen spezifischen Führungsstil gibt, der sich für das Führen von Führungskräften eignet. Nach den bisherigen Ausführungen sollte schon klar sein, dass ein autoritärer Führungsstil für diese Zwecke denkbar ungünstig ist. Denn ein solcher Stil lässt der Führungskraft kaum eigenen Handlungsspielraum.

Laut Landes, Steiner und Hornstein (2012) ist auch ein transaktionaler Führungsstil nicht ideal: Hierbei liegt der Fokus auf dem Austausch zwischen Vorgesetztem und Führungskräften. Wenn die Führungskraft bestimmte Ziele erreicht, erhält sie dafür vereinbarte Gegenleistungen, z. B. Bonuszahlungen. Diesem Stil fehlt jedoch die Entwicklungsperspektive – die Führungskraft wird in ihren Leadership-Skills nicht gefördert.

Am ehesten bietet sich daher der transformationale Führungsstil an: Dieser legt ein besonderes Gewicht auf die Weiterentwicklung des geführten Mitarbeitenden. Transformationale Vorgesetzte treten als Vorbild auf und versuchen, die intrinsische Motivation der Geführten zu wecken. Dies passt gut zu den eingangs formulierten Grundregeln und scheint für die Führung von Führungskräften die sinnvollste Variante zu sein.

Vom „Lehrer“ zum „Coach“ werden

Häufig wird in diesem Zusammenhang gefordert, dass eine Art „coachender“ Führungsstil praktiziert werden soll: Vorgesetzte sollten nicht „Lehrer:in“, sondern „Coach“ sein. Bei einem Business-Coaching erhält man keine direkten Ratschläge, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Durch aufmerksames Zuhören und die richtigen Fragen unterstützt ein Coach seine Klient:innen dabei, eigene Wege zu finden. Ein coachender Führungsstil wird generell immer wichtiger – bei der Führung von Führungskräften leuchtet der Nutzen aber sofort ein.

Fazit: Es geht um die Balance zwischen Freiheit und Unterstützung

Die Führung von Führungskräften ist also eine anspruchsvolle Aufgabe, die weitreichende Konsequenzen hat: Im Extremfall wirkt sich hier ein schlechter Führungsstil über mehrere Ebenen aus. Die zentrale Aufgabe des Vorgesetzten ist dabei das Empowerment der Führungskraft, sodass diese in ihrer eigenen Führungskompetenz gestärkt wird. Dies gelingt nur durch die richtige Balance zwischen Freiheit und Unterstützung: Es gilt, der Führungskraft den notwendigen Spielraum zu lassen und ihr gleichzeitig in wichtigen Fragen Rückhalt und Korrektur zu geben.


Weiterführende Literatur:

Hornstein, Elisabeth; Steiner, Eberhard; Spörrle, Matthias (2011). Sag mir, wie soll ich sie führen? Professionelle Begleitung von Führungskräften. In: Wirtschaftspsychologie aktuell (1), S. 46-49.

Kraut, Allen I.; Pedigo, Patricia R.; McKenna, D. Douglas; Dunnette, Marvin D. (2005). The role of the manager: What’s really important in different management jobs. In: Academy of Management Executive 19 (4), 122–129.

Landes, Miriam; Steiner, Eberhard; von Hornstein, Elisabeth (2012). Meta-Führung – Besonderheiten bei der Führung von Führungskräften. In: Grote, Sven (Hg.): Die Zukunft der Führung. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, S. 191-212.


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